Analyse der Steuerung des Schweizer Gesundheitssystems und Vorschlag eines Bundesgesetzes über die Gesundheit

Abstract

Im Auftrag der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat Unisanté die Relevanz und den möglichen Inhalt eines Bundesgesetzes über die Gesundheit geprüft. Diese Analyse knüpft an die Arbeiten der SAMW aus den Jahren 2019 und 2022 an und leistet einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Schweizer Gesundheitssystems in Richtung mehr Nachhaltigkeit und im Sinne einer «One Health»-Perspektive.

Um die Relevanz eines Bundesgesetzes über die Gesundheit zu prüfen, wurde zunächst die Steuerung des Schweizer Gesundheitssystems analysiert. Dazu kamen die folgenden Methoden zur Anwendung: 

  1. Literaturanalyse zum Schweizer Gesundheitssystem und seiner Steuerung, 
  2. Analyse des verfassungsrechtlichen Rahmens für das Thema Gesundheit und 
  3. Analyse der Gesamtleistung der Steuerung des Schweizer Gesundheitssystems anhand eines Modells. Im ersten Teil hat sich gezeigt, wo das Gesundheitssystem heute an seine Grenzen stösst. 

Es ist insbesondere gekennzeichnet durch:

  • das Fehlen einer transversalen Betrachtung des Themas Gesundheit in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Existenz vergleichsweise stark voneinander getrennter «Kompetenzsilos»,
  • das Fehlen einer allgemeinen Verfassungsbestimmung zum Gesundheitssystem, die dessen Bestandteile definiert und die Steuerung klärt,
  • eine Verflechtung der Kompetenzen von Bund und Kantonen,
  • deklaratorische Gesundheitsstrategien auf Bundesebene ohne Vollzugsbefugnis,
  • unausgewogene Mitwirkungsmechanismen bei der Steuerung auf mehreren Ebenen (Bund, Kantone und Gemeinden), da nicht alle Beteiligten gleich viel Einfluss haben, sowie
  • ein Informationssystem, das keine ausreichenden Daten für fundierte Entscheidungen liefert.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass der bestehende rechtliche Rahmen geklärt werden muss und ein Gesundheitsgesetz relevant ist. Dieses würde die Grundsätze von «Good Governance» im Zusammenhang mit dem Gesundheitssystem festlegen und sich auf die Gesundheitsförderung, die Prävention und die Gesundheitsversorgung erstrecken. Ein solches Bundesgesetz über die Gesundheit könnte folgende Elemente enthalten:

  • Definition der allgemeinen Ziele des Gesundheitssystems einschliesslich Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsversorgung sowie Verankerung der Grundsätze Gerechtigkeit, finanzielle Absicherung, Zugang, Qualität und Effizienz,
  • Verpflichtung zur Erarbeitung und regelmässigen Evaluierung einer sektorübergreifenden Rahmenstrategie, auf deren Grundlage die verschiedenen Akteure (Bund, Kantone und Stakeholder) konvergent zusammenarbeiten,
  • Regulierungsprinzipien zur Erreichung der strategischen Ziele, insbesondere durch die Festlegung von Grundsätzen für die Finanzierung, die Ressourcenerzeugung und die Organisation der Dienstleistungen sowie eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen,
  • Grundsätze für eine breit abgestützte, ausgewogene Mitwirkung aller Beteiligten an strategischen Diskussionen und Entscheidungsprozessen, einschliesslich der Bürgerinnen und Bürger, der Patientinnen und Patienten und der Zivilgesellschaft,
  • Grundlagen für einen nationalen Steuerungsrahmen im Bereich Gesundheitsdaten und für die Bereitstellung konsolidierter Informationen und Evidenz, um fundierte und legitimierte Entscheidungen zu treffen.

Schliesslich wurde geprüft, wie ein solches Gesetz in der Bundesverfassung verankert werden könnte. Dafür kommen mehrere Möglichkeiten infrage, aus demokratiepolitischer Sicht scheint eine Teilrevision der Bundesverfassung die am besten geeignete Option.